Xiii. §. 12. Beginn des Weltkampfes zwischen Rom und Karthago. Im
überlassen und nach Griechenland zurückkehren, wo er sein abenteuern-
des Leben bald in nicht sehr rühmlicher Weise beschloß. Die Römer
aber wußten nicht bloß die schöne Beute, die ihnen zugefallen war,
das reiche Unter-Italien, durch zweckmäßige Einrichtungen und Co-
lonieen zu ihrem unentreißbaren Eigenthum zu machen und mit ihrer
römischen Politik und Verfassung zu erfüllen, sondern sie wußten sich
die höhere griechische Bildung, mit welcher sie durch diese Kampfe zu
erst zusammengetroffen wären, gleich so weit anzueignen, als die
eigenthümliche Starrheit des römischen Wesens es zuließ.
Mehr noch als in den Samniterkriegen treten in den fast 10jährigen
Kämpfen der Römer in Unter-Italien und mit dem Pyrrhus die
Mannestugenden hervor, durch welche die alten Republikaner sich aus-
zuzeichnen pffegten. Nicht bloß einzelne Männer, wie der unbestech-
liche und unerschütterliche Fabricius, sondern die ganze Haltung,
Würde und Hoheit des römischen Wesens machten auf den Pyrrhus
einen um so gewaltigern Eindruck, da er bisher nur an die feile Halt-
losigkeit der damaligen Griechen gewöhnt war. Wenn seinem erfahre-
nen Rathgeber und Gesandten Cineas die Versammlung des römi-
schen Senats wie eine Versammlung von Königen erschien, und den-
noch diese Könige zum Theil in der größten freiwilligen Armuth lebten,
so war das dem Griechenfürsten ein ehrfurchtgebietendes Rüthsel. Wie
gern hätte er mit diesem Heldenvolk ein Friedensbündniß geschlossen,
wie überbot er sich in Aufmerksamkeiten und Höflichkeiten gegen den
stolzen Feind. Aber obgleich etliche Male in großer Bedrängniß, hielt
Rom dennoch fest an seinem Grundsatz, nie mit dem Feind zu unter-
handeln, so lange er siegreich sei, und an seinem zuversichtlichen Glau-
den, daß der Sieg über die Völker dennoch Rom beschieden sei. Die
schwache Stimme des blinden Greises (Appius Claudius), der sie an ihre
Römerpflicht erinnerte, überwog im Senat sofort die verführerischen
Redekünste des griechischen Unterhändlers. Aber bei aller Großartig-
keit römischen Wesens fehlt es doch auch jetzt nicht an einzelnen Zügen
der alten Rohheit und Wildheit. Man denke nur an den Abfall und
das zügellose Wesen der römischen Legionen in Rhegium. Eben so
wenig fehlte es aber auch an den ersten leisen Vorzeichen, daß mit dem
Eintritt Rom's in den griechischen Zauberkreis nicht bloß griechische
Bildung, Kunst und Wissenschaft viele Liebhaber unter dem jünger»
Geschlecht finden und die alten strengen und patriarchalischen Sitten
verdrängen werde, sondern daß auch griechische Genußsucht, Unsitte und
innerliche Fäulniß ihr ansteckendes Gift unter dem römischen Adel, bald
auch unter dem Volk verbreiten würde.
§. 12. Beginn des Weltkampfes zwischen Rom und
Karthago.
Aus zwei verschiedenen Bestandtheilen war dasjenige Weltreich
zusammengesetzt, an deffen Stelle das römische Reich zu treten be-
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Extrahierte Personennamen: Claudius)
Extrahierte Ortsnamen: Rom Karthago Griechenland Unter-Italien Rom Rhegium Rom Karthago
Xiii, §. 12. Beginn des Wettkampfes zwischen Oiotu und Karthago. 191
schenkt; aber weder die mächtigen Aristokraten, die Fürstenfamilien
Karthago's, noch das rohleidenschaftliche, sinnlich stumpfe Volk mochte
Gottes warnende Stimme vernehmen. Im sogenannten ersten pa-
nischen Kriege, der 23 Jahr dauerte (264—241, zur Zeit als die
Ptolemäer und Seleuciden anfingen um den Besitz Palästinas zu
kämpfen Dan. Ii, 6—9), ward den bis dahin sich für unbezwinglich
haltenden Karthagern nur erst gezeigt, daß Gott der Herr noch an-
dere Leute sich herangezogen habe, ein kriegerisches Volk, durch wel-
ches er ihrem treiberischen Vordringen gar bald Stillstand gebieten
könne; ja daß er wohl im Stande sei, diesem Volke von Ackerbauern
mit seinen roh zusammengezimmerten Fahrzeugen, welches kaum eine
ausreichende Kenntniß des Meeresund der Schifffahrt, geschweige des
Seekrieges hatte, dennoch den Sieg in die Hände zu geben über die
stolzen Kriegsflotten des Seefahrervolks. Durch die Seesiege des
Duilius und des Luctatius Catulus ward der erste punische
Krieg entschieden, und als Siegespreis fielen die Inseln Sicilien,
Sardinien und Corsica den Römern zu. Unmittelbar darauf
ward auch das von Galliern bewohnte Ober-Italien von den Römern
gewonnen und zur Provinz gemacht.
Rom betrat, da es über die Meerenge von Sicilien setzte, da es
Flotten baute und seine Heere nach Afrika hinüberführte, eine ganz
neue Bahn. Es that die ersten Schritte auf dem Wege der Welter-
oberung. Das Festland von Italien mochte es als sein unbestreit-
bares Eigenthum ansehen und die verwandten Stämme ans der ganzen
Halbinsel mit römischein Geist und Wesen durchdringen, sich selbst an
ihre Spitze stellen, ihre Kräfte für seine Zwecke gebrauchen. Aber
etwas Anderes war es, auf die Eroberung fremder Länder auszu-
gehen, welche durch natürliche Scheidewände von dem italischen Grund
und Boden getrennt sind. Hier war eine Gegenseitigkeit des Neh-
mens und Gebens, eine allmalige Verschmelzung der Sieger und Be-
siegten, ein Antheil der Ueberwundenen an den Rechten und Ehren des
römischen Freistaats nicht mehr ausführbar. Die eroberten Länder
hatten nichts Anderes zu thun, als den römischen Beamten und Statt-
haltern, die ihnen in willkürlichem Wechsel gesandt waren, zu gehorchen
und sich ausbeuten zu lassen zu Gunsten des römischen Staatsschatzes
und der Privatcassen des römischen Adels. Sie wurden als Provin-
zen behandelt. Dies Loos traf zuerst das reiche und blühende Sici-
lien, wenigstens den größten Theil desselben, der bisher in den Händen
der Karthager gewesen war. Anfangs mochten die Bewohner über
diesen Wechsel der Herrschaft nur erfreut sein. Denn zu jenen Zeiten
überragten die Römer sicherlich noch bei Weitem die Karthager an
Edelmuth und Uneigennützigkeit. Später wurde es freilich anders, und
schon jetzt meldeten"sich^einzelne Züge rohen Ueberinuths und freveln-
der Ungerechtigkeit gegen die Unterliegenden auch auf römischer Seite.
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Extrahierte Ortsnamen: Karthago Sicilien Sardinien Sicilien Afrika Welter- Italien Edelmuth
192 Xiii. §. 13. Fortsetzung des Weltkampfcs und Sieg der Römer.
Welche maßlose Forderung stellt z. B. der Cónsul Regulus an die
Karthager, da er sie in mehreren Schlachten auf afrikanischem Boden
besiegt hatte! Er hat schwer dafür büßen müssen; und seine spätere
Selbstaufopferung für die Größe seines Vaterlandes zeigt uns noch
echt römische Größe. Aber was sollen wir sagen zu dem unedlen Ver-
fahren des römischen Senats nach beendigtem Kriege, da das gänzlich
erschöpfte Karthago durch seine eignen empörerischen Söldner an den
Rand des Untergangs gebracht war? Anstatt ihrem Hülferuf zu will-
fahren, benutzten die Römer die Bedrängniß des immer noch gefürch-
teten Nebenbuhlers, um unter nichtigen Vorwänden ihm auch die In-
sel Corsica und Sardinien zu entreißen und ihm eine neue schwere
Kriegsstener aufzulegen. Das waren Vorboten der später» länder-
süchtigen Römerpolitik, welche nie um Grund und Anlaß verlegen war,
um bald dies, bald jenes Volk ihrer unersättlichen Herrsch- und Er-
oberungssucht zu opfern.
§.13. Fortsetzung des Welikampfes und Sieg der Römer.
Wie schnell würde Rom, auf den neu eingeschlagenen Pfaden der
Herrschbegier und treuloser Eroberungssucht fortschreitend, zu schwe-
ren Ungerechtigkeiten und Bedrückungen der Völker übergegangen sein,
wenn Gott der Herr nicht durch den zweiten puvischen Krieg
(218 bis 201 zur Zeit des Antiochus des Großen in Syrien,
Dan. 11, 11—13) den hohen Flug römischen Selbstvertrauens auf
einige Zeit etwas gehemmt, und in der Schule des Unglücks die er-
schlafften und irrenden Gemüther wieder gestählt und zur Gottesfurcht
zurückgeführt hätte. Wie glaubten sie so sicher zu sein in ihrem längst
unterworfenen Italien, und Jedermann nach außen bedrohen zu können,
namentlich die im ersten Kriege so schmählich niedergerungenen Kar-
thager. Und siehe, jetzt erfolgt das Unglaubliche, daß die kartha-
gischen Soldtruppen unter ihren ausgezeichneten Führern das silber-
reiche Spanien unterwarfen, die Pyrenäen überschritten, das südliche
Gallien durchzogen, die „unersteiglichen" Alpen erstiegen, die gallischen
Völker der oberitalischen Provinz gegen Rom empörten, in drei, vier
Schlachten die Römer niederwarfen, ganz Italien ungehindert durch-
zogen, daß Hannibal vor den Thoren Roms erschien. Wie ward da
der haltlose Ehrgeiz des Sempronius an der Trebia, der gottlose
Uebermuth des Flaminius am Trasimenersee, die leidenschaft-
liche Anmaßlichkeit des Varrò bei Cannä so furchtbar bestraft.
Wie mußte erst das ganze Maß dieser Unglücksfälle über die Römer
ausgegossen sein, ehe die ruhige zaudernde Besonnenheit eines Fa-
biuö Marimus bei ihnen zu Ehren kam. Erst der Untergang der
consularischen Heere in Spanien konnte sie zur Hintansetzung ihrer
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Extrahierte Personennamen: Hannibal
Extrahierte Ortsnamen: Karthago Sardinien Rom Syrien Italien Spanien Gallien Rom Italien Roms Spanien
Xiii. §. 13. Fortsetzung des Weltkampfs und Sieg der Römer. 193
republikanischen Eifersüchteleien bewegen, und zur Aufstellung des
jungen P. Cornelius Scipio als Oberbefehlshaber zunächst in
Spanien, hernach in Sicilien und Afrika.
Aber wiederum, wie schnell hatte das Unglück die bösen Säfte
und Schwären am römischen Staatskörper hinweggebeizt. Nie ist
Rom größer gewesen als in den Tagen seiner größten Noth. Da
finden wir wieder vor Allem: Beugung unter die göttlichen Rath-
schlüsse, Buß- und Bittopfer, um den göttlichen Zorn zu versöhnen,
aber auch festesten Glauben an die Gewißheit und Stetigkeit der alten
Verheißungen von der ewigen Dauer Nom's und seiner Bestimmung
zur Weltherrschaft. Ferner aber: feurige, Alles aufopfernde Vater-
landsliebe, selbstverleugnende Hingebung, unbeugsamen Heldenmuth,
kühne Entschlüsse, unerschrockene Ausdauer. Dabei großstnnigen Edel-
muth gegen besiegte Feinde wie Freunde, staatskluge Gewandtheit in
Behandlung der Bundesgenossen und der neu unterworfenen Völker,
nachhaltige Kraft in Belohnung und Bestrafung der Treugebliebenen
und Abgefallenen. Endlich eine unerschütterte Klarheit, Festigkeit,
Sicherheit in dem ganzen Gange der römischen Politik. — Das alles
mußte ihnen über Hannibal, den großen Feldherrn aber unedlen Men-
schen, und über die schwankende, eigennützige, kleinliche Politik der
karthagischen Staatshäupter den unfehlbaren Sieg verschaffen. Nach-
dem Scipio Spanien den Karthagern entrissen, das von Marcel-
lus vollends eroberte Sicilien zur Ruhe gebracht, stand er auf
Afrika's Boden dem Hannibal mit seinen italischen Legionen zur
Entscheidungsschlacht gegenüber. Bei Zama im Jahre 202 entschied
sich's. Rom war zur Herrscherin der Welt erkoren, Karthago sollte
untergehen.
Vergleicht man mit der glühenden Vaterlandsliebe, der unendlichen
Anstrengung und dem muthigen Wagen der Römer in diesem Khege
das Verfahren der Karthager, so ergiebt sich schon aus der oberfläch-
lichsten Betrachtung, daß Karthago nimmermehr wäre einer solchen
Aufgabe gewachsen gewesen, wie sie Rom gelöst hat. Während Rom
in kühner Entschiedenheit Alles an Alles fetzte, berechnete man in Kar-
thago mit peinlichem Krämersinn jeden Pfennig und maß die Vortheile
des eirwn oder andern Schrittes nur nach dem augenblicklichen Geld-
und Landgewinn ab. Es ist wahr, Spanien wurde in der Zwischen-
zeit zwischen dem ersten und zweiten Kriege von den Karthagern erobert.
Aber es war nicht der heldenmüthige Aufschwung kriegerischen Geistes,
der sich von der erlittenen Niederlage nach gründlicher Selbstdemüthi-
gung mit neuer Siegesfreudigkeit erhebt — sondern es war die berech-
nete Nothwendigkeit eines gewinnbringenden Ersatzes für den Verlust
von Sicilien, Sardinien und Corsica. Die Seeherrschaft mußte durch
v. Rohden, Leitfaden. 13
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394 Xin. §. 13. Fortsetzung des Weltkampfs und Sieg der Römer.
neue Colonialgebiete gesichert, die geleerten Cassen durch Ausbeutung
der reichen spanischen Silberadern wieder gefüllt werden. Schwerlich
aber würde den afrikanischen Söldnertruppen die Unterwerfung Spa-
niens gelungen sein, wenn nicht die Heldenfamilie des Hamilear,
Hasdrubal, Hannibal und Mago diesem feilen Haufen ein krie-
gerisches Ehrgefühl eingeflößt und soldatische Zucht und Abhärtung
ihnen beigebracht hätte, an die sie früher nie gewöhnt waren. Nicht
Karthago wagte es, den verhängnißvollen Entschluß zu fassen, die Rö-
mer auf's Neue zum Kampf herauszufordern, sondern Hannibal that
es, und F ab ius, der römische Gesandte, entschied vor dem versammelten,
unsicher hin- und herschwankenden karthagischen Senat, daß Krieg
sein solle. Nicht Karthago führte den Krieg in Italien, sondern
Hannibal fast allein aus eignen Mitteln, aus dem Ertrageseiner
spanischen Silbergruben; nur selten und sparsam ward ihm aus seiner
Vaterstadt Unterstützung an Geld und Truppen zu Theil. Auf alle
seine Bitten um kräftigere Hülfe erhielt er meist nur leere Versprechun-
gen, bis es zu spät war, bis die letzten kräftigen Anstrengungen, zu de-
nen die Stadt sich erhob, nutzlos waren. Hannibal selbst aber,
nicht getragen durch die edleren Gefühle der Vaterlandsliebe, sondern
angehetzt von wilder Unversöhnlichkeit und leidenschaftlicher Rachgier,
war an Tapferkeit und Feldherrntalent in offener Feldschlacht kei-
neswegs den Römern überlegen. Er überwand sie durch seine Ver-
schlagenheit, durch seine Kriegslisten, durch seine Hinterhalte. Als aber
die Römer solche Kniffe ihm erst abgemerkt und sich gewöhnt hatten,
auf ihrer Hut vor ihm zu sein, da war er ihnen wenig furchtbar
mehr. Auch seine numidische Reiterei und seine Elephanten waren
anfangs den Römern schreckbar. Aber wie im ersten punischen Kriege
die seekundigen und wohlgerüsteten Flotten, so lernten im zweiten die
Römer auch die Flüchtigkeit der Reiter und die riesigen Massen der
Elephanten unschädlich zu machen. Da konnte es denn nicht fehlen.
Nachdem es anfangs geschienen, als ob Hannibal ganz Italien schon
in seinen Händen habe, mußte er nach dreizehnjährigem vergeblichen
Kampfes wieder räumen, sowie schon vorher Sicilien und Spanien von
karthagischen Heeren geräumt war, und mußte, auch vor den Thoren
seiner Vaterstadt geschlagen, das traurige Geschäft ausrichten und den
Frieden mit Rom vermitteln, der seine Vaterstadt für immer in den
Staub warf. Noch athmete zwar Karthago etwa 50 Jahr zu den
Füßen der stolzen Siegerin. Aber weder der noch einmal gegönnte
Sonnenschein des Glücks, noch die tiefe Nacht jammervollen Elends
war ihr zum Jonasruf geworden. Sie that nicht Buße, darum ward
sie endlich zertreten. »
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Xiv. §. 1. Erste Berührung Rom's mit der Griechenwelt (200).
Xiv. Rom's Eintritt in die Weltherrschaft.
Motto: Der Herr will die Völker in die Bande dez Bun-
des zwingen. —
»Der eiserne Reisen wird nm die Völker geschlagen.»
§. 1. Erste Berührung Rom's mit der Griechen-
welt (200).
Nachdem Karthago niedergekämpft war, hatte Rom keine Neben-
buhlerin mehr zu fürchten. Noch einmal hatte es um sein eignes
Bestehen kämpfen müssen; fortan betrat kein fremdes Volk mehr den
Boden des römischen Italiens*). Fast ein halbes Jahrtausend hin-
durch konnten die Römer von dem sichern Boden ihrer Stadt und
ihres Landes, auf drei Seiten gegen fremde Ueberfälle durch das
Meer und durch ihre Flotten beschützt, den stolzen Adlerblick über die
entlegneren Länder und Völker schweifen lassen, um zu erspähen, wo sich
eine Gelegenheit zur weitern Anwendung ihres Herrscheramtes zeigen
würde. Denn Herrschen, Ordnen, Gestalten war nun einmal ihr
Talent und ihre Leidenschaft. Selber Neues hervorbringen, Erfin-
dungen machen, geistige Anlagen pflegen, in Kunst und Wissenschaft
sich hervorthun, dazu waren sie nicht gemacht. Aber gegebene Ver-
hältnisse zu ergreifen und zu praktischen Zwecken zu benutzen, verwirrte
Zustände in's Klare zu bringen, gährende und zuchtlose Völker unter
zweckmäßigen und durchgreifenden Gesetzen zu zähmen, Ruhe und
Ordnung zu halten in dem wilden Getreide der bewegten Welt —
das verstanden sie meisterlich, denn dazu hatte Gott sie berufen und
ausgerüstet. Und nun da die westlichen Uferländer des mittellän-
dischen Meeres bereits alle mehr oder minder unter das römische
Gesetz und Joch sich beugten, konnte kein Zweifel sein, daß Rom's
eiserne Tritte sich zunächst auf dem Grund und Boden der drei
ersten Weltreiche würden vernehmen lassen, in Griechenland und in
Asien. Schon war der Anfang gemacht. Nicht bloß Pyrrhus
hatte die Aufmerksamkeit der Römer nach Griechenland gelenkt. Durch
ein unkluges Bündniß mit Hannibal hatte der macedonische König
Philipp die römischen Unterhändler und Gesandten, Flotten und
Heere selber bereits nach Griechenland gezogen und schon während
des zweiten punischen Krieges hatten Römer und Macedonier sich
mit einander gemessen. Unvorsichtig fuhr Philipp auch nachher noch
') Die nördlichen Theile Italiens, in welche zu Ende des zweiten Jahrhun-
derts die Cimbern eindrangen, wurden bekanntlich in der alten Geographie zu
Gallien gerechnet.
13
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Extrahierte Personennamen: Hannibal Philipp Philipp Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Karthago Griechenland Asien Griechenland Griechenland Italiens Gallien
Xiv. §. 2. Ausbreitung der Römerherrschaft bis Klein-Asien (190). 199
diesem eigenmächtigen Schalten der Römer in Griechenland nicht ru-
hig zusehen. Schon war er auf dem Wege, um seinem Freund und
Bundesgenossen zu helfen. Anfangs stutzig gemacht durch die ent-
gegengesandten Warnungen und Befehle der Römer, machte er sich
nach ihrem Abzüge aus Griechenland dennoch aus Asien herüber,
schien Lilles in Bewegung setzen zu wollen, um die Römer und deren
Freunde zu bekämpfen, zog sich dann aber feig und unbesonnen vor
ihnen wieder nach Klein-Asien zurück und erlitt dort bei Magnesia
190 die gewaltige Niederlage (Dan. 11, 18), welche auf lange Zeit
hinaus die Gestalt des vordern Asiens änderte und die Römer zu
Schiedsrichtern des gesummten Orients machte.
Wie hoch nothwendig es den hellenistischen Völkern war, einmal
wieder eine mächtige Herrscherhand über sich zu fühlen, ergiebt sich sehr
bald aus der Beobachtung der unaufhörlichen elenden Zänkereien und
aufreibenden Kriege, welche die kleinen Freistaaten und Bundesstaaten
des eigentlichen Griechenlands und die kleinen Könige des vordern
Klein-Asiens, nicht minder die Beherrscher der mächtigeren Reiche mit
einander führten. Die ganze Geschichte dieser einst so gesegneten Län-
der und gesittigten Völker besteht aus einer Reihe zweckloser Fehden,
Verräthereien und Treulosigkeiten. Wohl wird unter den Griechen
noch Einer genannt, der ein ehrenwerthes Andenken verdient: Philo-
pömen, „verletzte Grieche", der Feldherr der achäischen Bundesstaaten.
Aber um so kläglicher und schwärzer erscheinen um ihn her die Gestal-
ten seiner Zeitgenossen, des rohen Räuberfürsten Machanidas zu
Sparta, und seines noch unwürdigern, despotischen Nachfolgers Nabis,
ferner des haltlosen Philipp von Makedonien und des in schwelge-
rische Ueppigkeit versinkenden Antiochus. Hannibal war zu dem
Letztern gekommen, vertrieben aus seiner Vaterstadt. Er suchte nicht
bloß Zuflucht bei ihm, sondern auch Gelegenheit, sein Rachewerk gegen
die Römer noch ferner zu üben. Er wollte den Antiochus bereden,
da er nun einmal zum Krieg gegen die Römer entschlossen sei, sie nicht
in Asien zu erwarten, sondern sie sofort in Italien und Griechenland
anzugreifen. Aber zu so kühnen Plänen konnte sich der unentschlossene
Mann nicht erheben. Von Italien mochte er gar nichts hören, höch-
stens nach Griechenland wollte er seine Truppen führen und dort die
Bundesgenossen der Römer bekämpfen. Er kam auch nach Griechen-
land, aber nicht um zu kämpfen, sondern um zu schwelgen, verlor die
kostbare Zeit mit Festen und wollüstigen Gelagen, ließ sich von den
Römern überraschen und floh in größter Uebereilung, mit Preisgebung
seiner festen Plätze auf europäischem Gebiet, wieder nach Asien zurück.
Daß ihm die Römer auch dorthin folgen würden, scheint er kaum für
möglich gehalten zu haben. Aber den Römern war der Weg nicht zu
weit. An der Spitze der siegreichen Legionen drang Scipio, des
afrikanischen Scipio Bruder, über den Hellespont nach Klein-Asien
hinein. Der schmeichlerische König Eumenes von Pergamum, der
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Extrahierte Personennamen: Nabis Philipp_von_Makedonien Philipp Hannibal Scipio Scipio Scipio Scipio
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Griechenland Asien Griechenlands Sparta Asien Italien Griechenland Italien Griechenland Asien
Xiv. §. 3. Griechenlands und Karthago's Untergang (146). 201
bis auf's Mark verfaulten Bauln des macedonischen Königshauses
mit der Wurzel aushob, um ihn in Rom's Kerker vollends ersterben
zu lassen. Noch einmal trat ein Abenteurer unter Perseus' Namen
zur Wiederherstellung der macedonischen Freiheit auf, aber er be-
wirkte nur, daß das Land desto schneller zur römischen Provinz um-
gewandelt wurde (148). Da hatte auch für das eigentliche Griechen-
land die Sterbeglocke der Freiheit geschlagen. Zwar die Freiheit war
ja schon längst dahin. Es war nur noch der äußere Schimmer, an
welchem sich noch vereinzelte Griechenseelen erfreuen mochten. Die
große Masse war längst aller Freiheit unfähig. Sklaven ihrer eignen
Begierden, schwelgerischen Genüssen leidenschaftlich ergeben, mit den
Träbern dieser Welt sich letzend oder in kleinlichem Hader sich selber
zerfleischend, hatten sie lange genug als sogenannte freie Leute den
Raub ihrer Schätze, die Wegsührung ihrer angesehensten Mitbürger von
den Römern erdulden müssen, für sie war es eine Wohlthat zu nen--
nen, daß die jetzt eintretende feste und geordnete römische Verwal-
tung sie wieder unter den Schutz römischer Gesetze und Beamten
stellte. Für eine letzte Schilderhebung gegen die Römer im I. 146
mußten sie büßen mit dem Untergang ihrer reichen Stadt Korinth,
und darauf wurde „Achaja" zur römischen Provinz gemacht. Be-
kanntlich war dies dasselbe Jahr, in welchem auch Karthago, dem un-
bezwinglichen Groll der Römer erliegend, unter Flammen und Schwer-
tern zu Grunde ging.
Der sogenannte dritte punische Krieg, welcher die Zerstörung
Karthago's erzielte, zeigt noch deutlicher als die vorhergegangenen
Kämpfe in Griechenland und die orientalischen Wirren, wie tief Rom
seit dem zweiten punischen Kriege in sittlicher Beziehung bereits ge-
sunken sei. Warum sollte Karthago nicht in seinem bescheidenen Theil
wieder etwas aufblühen, sich durch Handel und Schissfahrt wieder et-
was bereichern, einige kleine Gebietserweiterungen zu gewinnen suchen,
sich gegen die Plackereiendes numidischen Königs Masinissa wehren?
Unmöglich konnte das weltgebietende Rom darüber in Furcht gerathen.
Herrschte es doch mit der unbeschränktesten Machtvollkommenheit in
den orientalischen Gebieten. In Aegypten setzte es die Ptolemäerkönige
nach Gefallen ab und ein, theilte das Reich und vereinigte es wieder,
sowie es eben der römische Staatsvortheil mit sich brachte. Der Kö-
nig Antiochus Epiphanes in Syrien, dessen Regierung Dan. 11,
21 ss. beschrieben wird, empfing von Popilius Lanas die gebiete-
rische Weisung, Aegypten zu räumen und sich zu unterwerfen, ehe er
aus dem um ihn gezogenen Kreise träte; und wenn auch knirschend,
mußte er gehorsam sich dem Befehle fügen,, und ließ darnach seine
Wuth an Jerusalem aus (Dan. 11, 30, wie S. 160 ff. ausführlich er-
zählt ist). Die Könige der kleineren Reiche des vordern Klein-Asiens
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190 Xiii. §. 12. Beginn des Wettkampfes zwischen Rom und Karthago.
stimmt war, aus einem griechischen und einem orientalischen. Mit
den Griechenkräften, geführt von Pyrrhus, hatten die Römer eben
ihren ersten Gang bestanden, und der Preis des Kampfes waren die
schönen Landschaften Unter-Italiens gewesen. Unmittelbar daraus
folgte schon ein anderer Kampf, in welchem die Römer auch mit den
orientalischen Kräften sich messen sollten, zwar noch nicht auf orienta-
lischem Boden, wie auch mit Pyrrhus noch nicht auf griechischem
Boden, aber doch jetzt zum ersten Male außerhalb Italiens, auf dem
Meer, auf den Inseln, auf der afrikanischen Küste. Das einzige
orientalische Volk aber, dem wir außerhalb des Orients in westlicheren
Bezirken begegnen, das also mit den westlich wohnenden Römern in
Berührung kommen konnte, war das phönizische Handelsvolk. Die
weit ausgreifenden Handelsniederlassungen der tyrischen und sidoni-
schen Kaufleute bemerkten wir schon früher an fast allen Gestaden
des westlichen Mittelmeers, an den Küsten Rordafrika's, Spaniens,
Galliens. Bei Weitem als die mächtigste dieser phönizischen (latei-
nisch: pönischen oder panischen) Colonieen stand Karthago da. In
rastlosem Streben nach Reichthum und Länderbesttz hatte die schnell
emporblühende Handelsrepublik allmälig die ganze Nordküste Asri-
ka's von den Grenzen Cyrene's an bis zu den Säulen des Hercules
sich unterthänig gemacht und beherrschte mit ihren zahlreichen und
wohlgeübten Kriegsflotten die Inseln des Mittelmeeres und den
nächstgelegenen Küstenrand Spaniens. Nicht immer waren es die
ehrenvollen Wege offener Kriegführung und überwiegender Bildung,
welche die Völker und Länder ihr unterwarfen, sondern öfter noch die
ränkevollen Windungen einer treulosen Staatsklugheit und der Schre-
cken barbarischer Grausamkeiten, womit diese Kinder Ham's im We-
sten wie im Osten sich Bahn zu machen suchten. Denn hamitischer
Götzendienst, verpaart mit Wollust und Mordsucht, hielt die Kartha-
ger in gleichen Sündenketten gefangen, wie die Cananiter, und der
Untergang der prachtvollen Handelsstadt am afrikanischen Strande er-
folgte durch die Hand der göttlichen Gerechtigkeit um derselben Sün-
den des Hochmuths und der Gottlosigkeit und des Geizes willen,
wie der Untergang der Mutterstädte am Fuße des Libanon. Rom
war vom Herrn ausersehen zum Zuchtmeister des hoffärtigen Geschlechts.
Aber nicht plötzlich, nicht blitzartig einschlagend brach das Verderben
über den stolzen Handelsstaat herein. Fast ein Jahrhundert hindurch
dauerte das gewaltige Ringen, das wechselnde Obsiegen und Unter-
liegen, ehe Karthago's Herrlichkeit unterging. Ihr war eine lange
Gnadenfrist gegönnt, viel Raum und Aufforderung zur Buße ge-
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Karthago Italiens Spaniens Galliens Karthago Spaniens
196 Xiv. §. l. Erste Berührung Rom's mit der Griechenwelt (200).
fort, die Römer zu reizen, und nöthigte sie fast wider den Willen des
Volks zum Beginn eines neuen Krieges, der ihm nichts als Demüthi-
gung, den Römern aber eine neue, gleich anfangs sich weitaufthuende
Bahn zur Einmischung in die Angelegenheitendes hellenistischen Welt-
reichs verschaffte. Mit kluger Berechnung gingen sie zuerst keines-
wegs auf Erwerbung neuer Gebietstheile im Osten des adriatischen
Meeres aus, sondern zunächst nur auf Gewinnung eines schiedsrich-
terlichen Einflusses. Nur das Recht und die Gelegenheit zur fort-
währenden Einmischung in die Angelegenheiten der griechischen Völ-
ker suchten sie sich zu sichern, namentlich bei deren Streitigkei-
ten unter einander. Schlau genug nahmen sie überall die Miene
an, als wenn sie den Unterdrückten helfen, die Schwächeren beschirmen
wollten, und wußten das Zutrauen des arglosen Haufens schnell
zu gewinnen. Erst nachdem sie mit Hülfe der Schwachen die Star-
ken geschlagen, ließen sie auch die betrogenen Bundesgenossen fühlen,
daß sie nur ein leichteres Joch mit einem schwerern vertauscht hätten.
Die nähere Berührung, in welche die Römer mit den Griechen ka-
men, mußte natürlich in mannigfacher Weise auf sie zurückwirken. Die
vielen Kunstschätze und die feine Lebensweise, die Gelehrsamkeit und Li-
teratur, welche sie in den griechischen Pflanzstädten Unter-Italiens, in
Sicilien, jetzt in Griechenland selber kennen lernten, ging zwar an der
großen Masse der römischen Heere und Colonisten unbeachtet und ohne
Eindruck vorüber. Aber von den höher gestellten, hochsinnigeren römi-
mischen Geschlechtern fanden sich doch einzelne, welche mit Wohlgefallen
jene Erzeugnisse eines reichen und feingebildeten Geistes durchmusterten
und sich zu eigen machten. An ihrer Spitze standen die Familien des
Marcellus, Scipio, Flaminius u. a. Das gab nun zunächst
eine sehr ansprechende Mischung: römische Sittenreinheit, Nüchternheit,
Gottesfurcht, Gerechtigkeitssinn — geglättet und verziert und wohlge-
schmückt mit griechischer Feinheit, Kunstgeschmack, Witz, Höflichkeit und
allgemeiner Bildung. Man kann sich wohl denken, daß die ebenso
liebenswürdige als imponirende Erscheinung eines Scipio in Spanien
und Afrika, eines Flaminius in Thessalien und Griechenland mehr
Völker unterwarf, als die römischen Waffen vermocht hätten. Aber
es blieb nicht bei dem glänzenden Firniß über das kernige und dauer-
hafte Eichenholz der damaligen römischen Republik. Bald wurde auch
das edle Holz selbst angefressen. Denn der längere Aufenthalt in den
reichen und üppigen griechischen und sicilischen Städten verderbte all-
mälig auch die strengeren und einfacheren Sitten der römischen Bür-
ger und Soldaten. War Hannibal's Heer durch den halbjährigen
Aufenthalt in Capua so vollständig entsittlicht und entnervt worden,
daß er fernerhin keine Siege mehr mit ihm gewinnen konnte, wie
hätten die römischen Heere sich vor gleicher Ansteckung frei halten
sollen! Und noch tiefer in den innersten Kern des sittlichen und reli-
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